Über die Geduld

Man muss den Dingen

die eigene, stille,

ungestörte Entwicklung lassen,

die tief von Innen kommt,

und durch nichts gedrängt

oder beschleunigt werden kann;

alles ist Austragen -

und dann Gebären.

Reifen wie ein Baum,

der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen

des Frühlings steht,

ohne Angst,

dass kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,

die da sind,

als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,

so sorglos still und weit...

Man muss Geduld haben,

gegen das Ungelöste im Herzen,

und versuchen,

die Fragen selber lieb zu haben,

wie verschlossene Stuben,

und wie Bücher,

die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

es handelt sich darum alles zu leben.

Und wenn man die Fragen lebt,

lebt man vielleicht allmählich,

ohne es zu merken,

eines fremden tages

in die Antwort hinein.

 

Rainer Maria Rilke "Briefe an einen jungen Dichter"

 

 

 

Der Text stammt aus einem Brief von Rilke an einen jungen Dichter (Franz Xaver Kappus). Rilke hat es nicht in Gedichtform geschrieben. Wer seine Sätze aus dem Brief in dieser Form zusammengefasst hat, ist unbekannt.

 

Wie dem auch sei, die Worte sind beruhigend, hilfreich, heilend, wenn die Geduld gerade fehlt, es ein bisschen am Vertrauen ins Leben mangelt.

Und dann ist es wieder DA, das Grundgefühl von 'Trust the Process' (Laurence Fotheringham, Leiter für Ausdrucksmalen - Schweiz)